4. Dezember
Eine meiner Lieblingsgeschichten ... leider weiß ich weder den Titel .. noch den Autor ... ich habe sie mal als Weihnachtskarte erhalten.
Es war einmal eine kleine Frau, die den staubigen Feldweg entlang kam. Sie war wohl schon recht alt, doch ihr Gang war leicht, und sie laechelte wie ein unbekuemmertes junges Maedchen.
Bei einer kauernden Gestalt blieb sie stehen und sah hinunter. Sie konnte nicht viel erkennen. Das Wesen, schien koerperlos, erinnerte an eine graue Flanelldecke mit menschlichen Konturen. Die kleine Frau bueckte sich und fragte: "Wer bist du?" Zwei fast leblose Augen blickten muede auf. "Ich? Ich bin die Traurigkeit." "Ach, die Traurigkeit!" rief die kleine Frau erfreut aus, als wuerde sie eine alte Bekannte begruessen.
"Du kennst mich?" fragte die Traurigkeit.
"Natuerlich kenne ich dich! Immer wieder hast du mich ein Stueck des Weges begleitet."
"Ja, aber...warum fluechtest du dann nicht vor mir? Hast du denn keine Angst?"
"Warum sollte ich vor dir davonlaufen? Du weißt doch selbst nur zu gut, dass du jeden Flüchtigen einholst. Aber, was ich dich fragen will: "Warum siehst du so mutlos aus?" "Ich bin traurig", antwortete die graue Gestalt.
Die kleine, alte Frau setzte sich zu ihr. "Traurig bist du also", nickte sie verstaendnisvoll. "Erzaehl mir, was dich so bedrueckt." Die Traurigkeit seufzte. "Ach, weisst du, mich mag einfach niemand. Es ist meine Bestimmung, unter die Menschen zu gehen und fuer eine gewisse Zeit bei ihnen zu verweilen. Aber wenn ich zu ihnen komme, schrecken sie zurueck. Sie fuerchten sich vor mir und meiden mich wie die Pest. Sie haben Saetze erfunden, mit denen sie mich bannen wollen. Sie sagen: Das Leben geht weiter. Man muss sich nur zusammenreissen. Und ihr falsches Lachen fuehrt zu Magenkraempfen und Atemnot. Sie sagen: Gelobt sei, was hart macht. Und dann bekommen sie Herzschmerzen. Sie sagen: nur Schwaechlinge weinen. Und die aufgestauten Traenen sprengen fast ihre Koepfe. Oder aber sie betaeuben sich mit Alkohol und Drogen, damit sie mich nicht fuehlen muessen. Dabei will ich den Menschen doch nur helfen. Wenn ich ganz nah bei ihnen bin, koennen sie sich selbst begegnen. Wer traurig ist, hat eine besonders duenne Haut. Manches Leid bricht wieder auf, und das tut sehr weh. Aber nur, wer die Trauer zulaesst und all die ungeweinten Traenen weint, kann seine Wunden wirklich heilen. Doch die Menschen wollen nicht, dass ich ihnen dabei helfe. Stattdessen schminken sie sich ein Lachen ueber ihre Narben. Oder sie legen sich einen dicken Panzer aus Bitterkeit zu."
Die Traurigkeit weinte, zuerst schwach, dann staerker und schließlich ganz verzweifelt.
Die kleine, alte Frau nahm sie in die Arme und streichelte das zitternde Buendel. "Weine nur, Traurigkeit", fluesterte sie, "ruh dich aus, damit du wieder Kraft sammeln kannst. In Hinkunft werde ich dich begleiten, damit die Mutlosigkeit nicht noch mehr an Macht gewinnt."
Die Traurigkeit hoerte auf zu weinen. Sie richtete sich auf und fragte: "Aber...aber â013 wer bist eigentlich du?"
"Ich?" sagte die kleine Frau schmunzelnd, und dann laechelte sie wieder so unbekuemmert wie ein kleines Maedchen.
"Ich bin die Hoffnung!"
(Titel und Autor leider unbekannt)
Autor
Geschrieben von
Wirbelwind | 04.12.2006 um 08:06 Uhr