Einfach aufhören!
Eine Zeit lang konnte ich die Zeichen einfach ignorieren. Erst als ich mit einem Bekannten irgendwo was zusammen trank, streifte der Blick von meinem Bekannten an diesem Abend die schwarz umrandete Denkschrift auf seiner und auf meiner Zigarettenpackung. Gewöhnlicherweise richtete sich mein Blick ebenfalls auf den Warnhinweis, alleine aus Neugierde, wo der andere hinschaut. Da ich in der Regel ehrlich bin, besonders zu mir selbst, kann ich nicht leugnen, daß dieses komische Gefühl im Bauch zu einer Gewißheit wandelte. Also es stimmte: Rauchen kann tödlich sein.
Der Bekannte hörte sofort damit auf, ich allerdings nicht. Aber die frisch gewonnene Erkenntnis saß bei mir tief und fest, daß ich Tage danach an fette schwarze Warntafeln denken mußte, die aus heiterem Himmel kamen. 'Hanebüchener Unsinn! Wird schon wieder weggehen.', dachte ich und schenkte zuerst keine Beachtung.
Es ging aber nicht weg. Das mußte ich bedauerlicherweise im Supermarkt eingestehen, als ich eine Tafel Trauben-Nuss angewidert ins Regal zurücklegte, nachdem ich geglaubt habe zu lesen, daß Schokolade dick machen kann und ungesund sei.
Damit war es nicht getan. Leider. Kaum schlenderte ich weiter, bemerkte ich plötzlich, daß vor meinem inneren Auge schwarzweiße Untertitel tanzten. Sobald ich auch nur mal meine Hand nach irgendeiner Ware ausstreckte, stand da schon geschrieben: 'Kunststoff kann Weichmacher enthalten. Die Tomaten könnten aus Holland sein. Seife könnten Ausschlag verursachen. Fleisch kann vergammelt sein. Alkohol kann die Schwangerschaft Ihres Kindes bereits in der Pubertät gegünstigen.' Zwar habe ich kein Kind und erst recht kein pubertäres, aber das sollte wohl keine Rolle spielen.
In der Flut dieser Botschaften, die sich wie jahrelang verborgene Kryptogramme offenbarten, blieb mein Korb natürlich an jenem Tag leer und als ich mit einem Schnauben voller Verachtung den Laden verließ, fühlte ich mich wie der einsamste Held in einem abgefahrenem Weltuntergangsfilm. Die Folgen meines hellseherischen Talents machten sich bei mir erst zu Hause bemerkbar, nachdem ich vom Hunger getrieben in meinem Kühlschrank nur eine Familienportion Licht sah.
'Du mußt zum Arzt', dachte ich. Doch wie auf Abruf blendete sich vor meinem inneren Augen eine Warntafel mit der Aufschrift ein: 'Ärzte könnten abhängig machen'. - 'Dann eben ein Psychologe!', sagte ich zu mir. Doch dann 'Psychologen könnten jeden nach einer neuen möglichen Reform pleite machen.'
Mit Fernsehen abzulenken hatte keinen Zweck, denn auf der Mattscheibe stand schon schwarz auf weiß der Hinweis: 'Fernsehen kann zu langsamer und schmerzhafter Verblödung führen.' Dabei war die Kiste nicht mal an.
Vielleicht lesen? Aber: 'Lesen kann kurzsichtig machen.' Sich aufzuregen war sowieso zwecklos, denn: 'Aufregung führt zu Herzinfarkt'. Schließlich saß ich dann reglos auf der Couch, nach einigen Minuten nahm ich 'Langes Sitzen kann zu Bewegungsarmut führen.' wahr. Ich versuchte, an gar nichts mehr zu denken. Ging soweit ganz gut. Nur ab und zu erschien eine Warntafel vor meinem inneren Auge: 'Wer mit Aufhören angefangen hat, kann manchmal nicht mehr damit aufhören.'
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Marco | 20.01.2007 um 15:33 Uhr