nachtgeschichten 10 - der unbekannte
"WAS wollen sie???" ich schaue den mann vor mir ungläubig an. es ist zwei uhr nachts. wir sitzen zu dritt in einer lauten frankfurter kneipe und haben uns gerade über die männergeschichten meiner freundin sabine kaputt gelacht, die zur zeit in new york lebt. sie kann herrlich über die managertypen dort herziehen.
da steht er plötzlich vor mir. groß, schlank, mittellange dunkle haare, fällt mir auf den ersten blick auf. ich schätze ihn mitte oder ende 30. er trägt jeans, ein weißes hemd, ein blaues sakko drüber. eigentlich sieht er gut aus, finde ich. aber ich habe keine zeit, diesem gedanken auf den grund zu gehen. denn er antwortet auf meine frage genau das, was ich beim ersten mal auch verstanden habe, als er plötzlich vor unserem tisch stand und mich angesprochen hat. "ich möchte, dass sie mich ansehen, dann wahrnehmen, mit mir etwas trinken, mich nett finden, zusammen mit mir den rest des abends verbringen und anschließend mit mir frühstücken gehen." holla, der mann weiß offenbar, was er will. "außerdem will ich, dass wir du zueinander sagen und dass ihre beiden entzückenden freundinnen hier sie für diesen abend gehen lassen.", setzt er hinzu, als ob er meine gedanken gelesen hätte.
sabine schaut den typ von der seite an. "warum wollen sie das?", fragt sie knapp und direkt und lacht ihn an. er lacht zurück. "weil ich ihre freundin interessant finde", antwortet er. stopp mal! die beiden unterhalten sich über mich! vielleicht sollte ich da auch ein wörtchen mitzureden haben. "äh...", fange ich an. aber sabine ist wieder schneller. "geht klar", sagt sie und nickt mir zu. "los, schieb ab!". ich bin völlig perplex. erst jetzt kann ich was sagen. "vielleicht habe ich da auch ein wörtchen mitzureden!?", ich schaue die beiden halb ärgerlich an. "klar, sagt der typ entwaffnend. "sie können jetzt 'ja' sagen". sabine und er lachen mich an. es sieht aus, als hätten die beiden schon alles unter sich ausgemacht. andrea, die dritte im bunde sagt gar nichts. sie staunt nur. "ok, das mit dem frühstück können sie sich ja noch mal überlegen", sagt der unbekannte und schaut mich mit sehr blauen augen an. "aber ein drink mit mir an der bar geht doch. oder?" er ist wirklich sehr überzeugend. sabine und andrea nicken mir beide zu. "los, geh schon!", sagt andrea, die offenbar ihre sprache wieder gefunden hat. ich schaue meine beiden freundinnen an. "ist das hier ein sklavenmarkt?", frage ich. alle drei am tisch nicken. wir fangen zusammen zu lachen an. "ok", sage ich und stehe auf. "aber nur auf einen drink". der mann lächelt. ein sieger. er hat ein sehr schönes lächeln: offen und frei, freundlich, nicht falsch oder fies, die augen lachen mit. "das ist mehr, als ich gehofft hatte", sagt er. mhmmmm, charmant ist er auch. achtung, sanni: gefahr. "ich heiße sebastian", sagt er. "sandra", sage ich. wir geben uns die hand. er nimmt sie und führt mich so an die bar. ich spüre förmlich, wie meine beiden besten freundinnen mir nachschauen und dabei zu tuscheln anfangen. egal. die nacht wird jedenfalls spannend.
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sannivosten | 27.02.2007 um 14:15 Uhr