nachtgeschichten 11 - der anruf
was war das? ich sitze senkrecht in meinem bett. es ist stockdunkel in meiner wohnung, kein licht ist an. irgendein geräusch hat mich geweckt. der wecker zeigt 2.23 uhr.
da klingelt das telefon. ich erschrecke bis auf die knochen, fange sofort an zu zittern. wer ruft mich um diese uhrzeit an? innerhalb von sekundenbruchteilen kommen schreckliche erinnerungen hoch.
das letzte mal, als das telefon mitten in der nacht geklingelt hat, war meine schwester tödlich verunglückt. es ist jahre her. doch in diesem moment so frisch, als wäre es eben gewesen. das telefon klingelt wieder. ich kann mich nicht bewegen. lieber gott, bitte lass nichts passiert sein, schießt es mir durch den kopf. doch ich glaube nicht daran. niemand ruft um diese zeit an, wenn nichts passiert ist.
langsam schlage ich die bettdecke zurück. das telefon steht auf meinem kleinen sekretär, ein paar schritte vom bett weg. schon wieder ein klingeln. ich setze meine füße auf den boden, er ist kalt. alles geschieht wie in zeitlupe.
auch wenn ich kaum etwas sehen kann, finden meine schritte von selbst zum ziel. meine hand greift nach dem hörer. es ist, als wenn ich dem allem von außen zuschauen würde. das verdammte ding klingelt immer weiter.
"hallo?" normalerweise melde ich mich mit meinem vollen namen. ich hasse es, wenn jemand nur hallo am telefon sagt. aber in dieser situation kann ich das nicht.
am anderen ende höre ich - gar nichts. oder doch? da atmet jemand. "HALLO???", sage ich lauter. "wer ist da?"
"ich bin's" antwortet eine leise stimme. ich kenne sie nicht. jedenfalls glaube ich das. sie klingt nicht hilferufend, sie klingt gefährlich. ich fange an zu schlottern. "wer ist da?" ich schreie fast ins telefon.
"schschschsch", macht die stimme. es soll wohl beruhigend klingen. ist es aber nicht. ganz im gegenteil. "nicht aufregen! ich will gar nichts von dir. jedenfalls nichts, was dir nicht auch spaß macht!" wieder klingt die drohung durch. "ich kenne dich, ich kenne deine nummer und ich weiß, wo du wohnst. lass uns ein bisschen spaß haben zusammen", flüstert die stimme.
ich bin starr vor entsetzen. ich kann mich nicht rühren, nichts sagen, nicht reagieren.
"ich melde mich wieder bei dir", die worte lösen eine höllenangst in mir aus. "du kannst schon darauf warten. mach dich hübsch. und dann werden wir beide...".
klick.
in der leitung tutet es nur noch.
ich stehe zitternd in meinem schlafzimmer, plötzlich ist es eiskalt im raum. alle schatten sehen bedrohlich aus. ich kann nicht mehr.
ich laufe ins bad und übergebe mich.
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sannivosten | 07.03.2007 um 16:39 Uhr