nachtgeschichten 12 - das rezept zum glücklichsein
der kleine rote punkt vor mir leuchtet. die kerze auf dem tisch spiegelt sich in meinem rotwein-glas und malt den hellen roten fleck auf das weiße tischtuch. der fleck bewegt sich ab und zu ein bisschen, wenn die flamme flackert. "was willst du eigentlich, sanni?" ich verlasse den fleck und schaue über den tisch. dort sitzt mein vater. sein blick liegt auf mir. was ich in ihm sehe, wärmt mein herz: liebe, geborgenheit, sorge um mich. seine augen schauen mich liebevoll an.
zwei- oder dreimal im jahr geht mein vater mit mir aus. er sucht das restaurant aus, jedes mal etwas besonderes. er holt mich ab und - er bezahlt. die läden, die er aussucht, könnte ich mir sowieso nicht leisten. aber ihm macht das spaß. und ich genieße diese abende endlos. vor allem die gespräche, die sich jedesmal dabei entwickeln.
"ach, daddy: gar nichts besonderes: glücklich sein. wahrscheinlich wie jeder mensch". mein vater lächelt. "nur dass nicht jeder mensch das gleiche darunter versteht", sagt er. er nimmt sein weinglas am stiel und schaut mich über den rand an. "was verstehst DU denn darunter?"
ich hebe mein glas, schaue in den wunderbaren nuits-st.georges, den mein dad bestellt hat und proste ihm zu. zeit gewinnen, nennt man das, glaube ich. aber mein vater schaut mich weiter an.
"ich möchte gerne eine familie, dad. ich möchte einen mann, der mich liebt und den ich liebe. kinder, um die ich mich kümmere und denen ich zeigen will, wie schön die welt sein kann. ich würde gerne etwas von dem glück weiter geben, das ich hatte. ich möchte meine kinder stark und selbstbewusst machen. ich möchte mit meinem mann reden können, mit ihm gemeinsame dinge erleben, mit ihm lachen ... " ich zögere einen kleinen moment, weil ich nicht weiß, ob ich das, was jetzt käme, auch sagen soll. "... und mit ihm schlafen", rutscht es heraus. ich schaue auf meinen vater. aber er hört mir nur aufmerksam zu, wie er das immer tut. "das zu verwirklichen gestaltet sich aber gar nicht so einfach, wie ich dachte", lächele ich ihn an.
"das sind ja auch ganz schön anspruchsvolle ziele", sagt er. "was ist mit deinem job? ich dachte, du willst deutschlands jüngste hoteldirektorin werden?". er hat offenbar auch bei den letzten gesprächen aufmerksam zugehört.
"das ist mein plan B". ich schaue ihn an. "aber bei dir und mama hat plan A doch auch geklappt. das kann doch nicht so schwer sein."
paps reagiert belustigt. "täusch dich nicht. auch wenn's leicht aussieht. glücklich sein und bleiben - das ist harte arbeit. und wir waren es sicher auch nicht immer so wie heute." das war mir neu. in meinem augen waren meine eltern immer das perfekte paar. dass es auch bei ihnen schwierigkeiten gegeben haben könnte, wäre mir nie in den sinn gekommen.
"und das rezept dafür?", frage ich ihn. mein vater trinkt seinen wein aus. konzentriert. dann schaut er mich an. "ganz einfach, sanni: kompromisse machen. das musst du noch lernen."
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sannivosten | 13.03.2007 um 13:42 Uhr