es ist stockdunkel im saal. nur ganz hinten, am anderen ende, sieht man die grünen lichter über den notausgängen. das gemurmel der vielen menschen wird langsam leiser. da beginnt musik zu spielen. schlagartig ist es still. es ist ein bass, der gezupft wird. ich erkenne das lied schon vom ersten ton an: "frauen regier'n die welt" von roger cicero, das deutsche grand prix-lied - das intro.
mit einem mal ist es gleißend hell. hunderte scheinwerfer erleuchten den laufsteg in der mitte des saal und das große YSL-logo an der stirnseite des catwalks.
"noch in der schule, die jungs haben gelacht"
cicero singt, da kommen aus der kulisse die ersten models. mir bleibt der atem stehen, so schön sind sie. drei, vier, fünf der schönsten frauen, die ich je gesehen habe. die kleider, die sie tragen, sind atemberaubend.
es ist eine exklusive modenschau von yves saint-laurent. ich bin eingeladen. bisher kannte ich das alles nur aus dem fernsehen, meine klamotten kommen von H&M. aber die wirklichkeit ist unglaublich: spannend, aufregend, toll.
"sie war so süß, ihre beine so lang"
der mann weiß wirklich, wovon er singt. wenn jemals ein lied zu einer modenschau gepasst hat, dann dieses.
"wie sie gehen und stehen.
wie sich dich ansehen.
und schon öffnet sich tasche und herz.
und dann kaufst du ´nen ring und ´nen nerz".
ich schaue mich um. links und rechts von mir schauen hunderte von frauen auf das, was auf dem laufsteg präsentiert wird: sie sehen alle gut aus, obwohl kaum eine von ihnen wirklich schön ist. aber sie sind top gestylt, perfekt zurecht gemacht, optimal angezogen - und mindestens doppelt so alt wie ich. die können sich die kleider leisten, die hier gezeigt werden, schießt es mir durch den kopf.
"ein lasziver blick.
und schon ändert sich deine politik.
kein boss und kein actionheld,
kein stahl und kein mafiageld -
frauen regier'n die welt"
ich überlege: ist das so? regieren wirklich die frauen die welt? wohl kaum. angela merkel ist eine frau, die regiert. aber ein lasziver blick von angela merkel? bei dem gedanken fange ich an zu lachen. mit mode hat die bundeskanzlerin, obwohl immer ordentlich gekleidet, wohl kaum was am hut. und mit lasziven blicken? mich schüttelt es vor lachen. so sehr, dass eine nachbarin missbilligend rüberschaut.
"alle register von kokett bis naiv.
sie haben als baby schon den vater im griff."
ok - roger hat recht. mein vater findet mich toll. egal was ich mache. er liebt mich.
"sie geben alles, wenn sie irgendwas wollen
und du weißt einfach nie, wann sie schmollen."
ist das so? sehen die männer uns frauen so? ich schaue auf die szene und die models auf dem laufsteg: endlose beine, tolle figuren, makellose gesichter. ok, ok - roger. ich weiß, was du meinst.
"wie sie gehen und stehen.
wie sich dich ansehen.
und schon öffnet sich tasche und herz.
und dann kaufst du ´nen ring und ´nen nerz".
und die mode hier? traumhaft schön. sündhaft teuer. ich gebe mich keinerlei illusionen hin: die meisten klamotten hier bezahlen am ende die männer der frauen, die hier sitzen.
"du machst dich lächerlich und lässt dich verhauen,
damit die mädels einmal nur rüberschauen.
sie pushen beckham und stürzen clinton,
ohne dafür ne partei zu gründen."
ich schüttele den kopf. so viel macht haben wir? wegen mir haben sich noch nie zwei männer geschlagen. ich muss lächeln. aber daran glauben kann ich nicht.
auf dem laufsteg beginnt das große finale: die schönsten frauen, die ich je gesehen habe, in den schönsten kleidern, die man tragen kann:
"frauen regier'n die welt."
die show ist zuende. alles klatscht. die männer im saal am lautesten. vielleicht hat roger doch nicht so ganz unrecht.