nachtgeschichten 3 - der teufel
was für ein sauwetter! -3 grad und sturm. dicke schneeflocken fallen vom himmel und bilden einen fast undurchsichtigen vorhang. und ich sitze auf dem flughafen von münchen fest. heute wird mein flieger ganz sicher nicht mehr starten. also werde ich wohl die ganze nacht auf irgendeinem unbequemen sessel halb sitzend, halb liegend verbringen müssen. toll. so stelle ich mir die nacht vor meinem geburtstag vor. eigentlich wollte ich heute abend zuhause sein und morgen eine große party schmeissen. ob daraus jetzt noch etwas wird, das steht in den sternen. doch die verbergen sich gerade hinter dicken schneewolken.
wenigstens hat mir die freundliche flugbegleiterin einen platz in der vip-lounge angeboten. ich muss mich also nicht mit hunderttausend anderen armen gestrandeten passagieren um die wenigen freien sitzgelegenheiten im abflugbereich streiten. wahrscheinlich hätte ich eh verloren. ich kann mich in sowas nicht durchsetzen.
ich öffne die tür zur lounge. vor den fenstern tobt der schneesturm, unheimlich beleuchtet von den starken scheinwerfern, die das vorfeld in helles licht tauchen. in ihren leuchtkreis sieht man, wie heftig es schneit. wahnsinn. wie gut, dass wir jetzt nicht in der luft sind. eine weiße hölle wäre das.
überraschenderweise sind außer mir nur zwei andere gäste in der lounge. ich hatte viele leute, lautes telefonieren und viel hektik erwartet. aber in der lounge ist es ganz still, der schneefall draußen macht keine geräusche und alle flugzeuge stehen still am boden. selbst das klappern meiner pumps schluckt der weiche teppich der lounge. ich schaue kurz zu den beiden anderen gästen hin. es ist eine junge frau, etwa in meinem alter. sie schaut kurz zurück und selbst bei diesem kurzen augenblick fällt mir auf, wie hübsch sie ist. kurze dunkle haare und dazu so strahlend blaue augen, dass ich sie bis hierher erkennen kann - eine kombination, die man nicht nicht oft sieht.
ihr gegenüber, mit dem rücken zu mir, sitzt ein mann. ich kann nicht erkennen, welches alter er hat, ob er groß oder klein, schlank oder korpulent ist, einen bart trägt oder nicht. was ich von ihm sehe sind schulterlange, pechschwarze haare ohne - zumindest von mir aus sichtbare - graue strähnen und ein langer schwarzer mantel. alles an dem mann ist offenbar schwarz.
ich setze mich, krame mein buch hervor und versuche es mir gemütlich zu machen so gut es geht. ich schaue mich nach der bedienung um, aber service scheint es derzeit nicht zu geben. sind wahrscheinlich alle beschäftigt, denke ich mir und vertiefe mich in mein buch.
plötzlich fällt mir im augenwinkel eine bewegung auf. der mann hat sich erhoben. der mantel, den er trägt, umweht ihn wie ein weites cape. ohne mich ein blickes zu würdigen, verschwindet er durch die tür der lounge. er hat kein gepäck bei sich.
ich schaue in die richtung, aus der er kam: die junge frau, die eben noch in ein gespräch mit dem schwarzen mann vertieft war, sitzt auf ihrem sessel, die blauen augen vor entsetzen geweitet. sie schluchzt laut. irgendetwas muss passiert sein. ohne zu überlegen stehe ich auf und schlängele mich zwischen den sesseln durch zu ihr. vor ihr gehe ich in die knie, damit mein gesicht auf der höhe ihrer augen ist. aber sie sieht mich nicht. auch nicht, als ich sie anfasse und zu beruhigen versuche. aus ihren augen laufen tränen. das schluchzen ist einem leisen wimmern gewichen.
was ist den los, um himmels willen, was haben sie? frage ich und versuche, die junge frau, fast noch ein mädchen, zu trösten. doch ich kann sie irgendwie nicht erreichen, ich dringe gar nicht zu ihr durch. hallo! was ist denn, spreche ich sie lauter an.
da drehen sich ihre wunderschönen augen zu mir und sie sieht mich an. offenbar bemerkt sie erst jetzt, dass jemand mit ihr spricht. sie muss zweimal ansetzen, bevor sie ihre stimme findet.
ich habe eben den teufel gesehen, sagt sie.
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sannivosten | 03.01.2007 um 12:27 Uhr